Wenn Medizinpädagogik auf Technik trifft und das Thema aus einer soziologischen Perspektive beleuchtet wird, dann sitzt man zweifelsohne in einer Vorlesung von Prof. Dr. Fabian Karsch der HSD Hochschule Döpfer. So auch, als er sich im Rahmen der Ringvorlesung über „Gelingendes Altern“ der Frage nach einem guten Leben im Alter mit Unterstützung von technischen Angeboten stellte. Zunächst begrüßte die Präsidentin der HSD, Prof. Dr. Karin Kohlstedt, die rund 130 virtuell zugeschalteten Gäste und stellte den Referenten vor, der bereits umfangreich zum Thema inklusive Technologie im Kontext aktivierender Gesundheitsförderung geforscht hat.
Als Einstieg in seinen Vortrag zeigte Prof. Dr. Karsch, Studiendekan für den B.A. Medizinpädagogik, ein Bild von Schneewittchens Zauberspiegel als Sinnbild für eine auskunftsgebende Technologie und stellte ihm das Bild eines KI-gesteuerten elektronischen Spiegels gegenüber. Dabei warf er die Frage nach der Selbstwahrnehmung in den Raum. Was machen die gemessenen Gesundheitsdaten mit den User*innen? Was bedeutet es „tausend Mal schöner zu sein“? Anhand dieses Beispiels erläuterte er für alle gut verständlich, welche Anforderungen an technische Messungen gestellt werden sollten, um im Idealfall zu einem effektiven Gesundheitsgewinn beitragen zu können.
Im Anschluss ging Prof. Dr. Karsch auf die Auswirkungen des demografischen Wandels als Argument für die Relevanz einer Entwicklung von Assistenztechnologien ein. Anschließend sprach er über die Zielsetzungen des Technikeinsatzes im Alter und präsentierte exemplarisch verschiedene Technologien und Einsatzszenarien.
Um sicherzustellen, dass Assistenztechnologien als Förderfaktoren und nicht als Barrieren wirksam werden, rät Karsch „auf eine diversitätssensible Umsetzung der Assistenztechnologie zu achten." Das bedeutet, die Vielfalt im Alter zu berücksichtigen, z.B. ältere Menschen mit Beeinträchtigungen bzw. Behinderungserfahrungen, Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft oder in Armut lebende Menschen, die einen erschwerten Zugang zu Versorgungsleistungen haben. So belegen beispielsweise unterschiedliche Studien, dass Personen mit niedrigem sozio-ökonomischen Status vermehrt von chronischen Krankheiten, psychosomatischen Beschwerden, Unfallverletzungen sowie Behinderungen betroffen seien, was eine erhöhte Morbidität zufolge habe.
Das Fazit des Vortrags bestand gleichzeitig in einer Empfehlung des Referenten. „Damit Technik als Förderfaktor wirksam wird, kann das AAAQ-Framework der WHO zur Gestaltung von Gesundheitsleistungen herangezogen werden“, so Karsch. Das Framework beruht dabei auf A wie Availability (= der Verfügbarkeit von Leistungen), A wie Accessibility (= der Zugänglichkeit für alle), A wie Acceptability (= Annehmbarkeit) sowie Q wie Quality (= Qualität). In Verbindung mit Faktoren aus der Diversitätsforschung und im Kontext der Passung von Person und Umwelt ließe sich nach Ansicht des Professors für Medizinpädagogik ein Modell erstellen, das künftig bei der Entwicklung von Technologie für ein gelingendes Altern berücksichtigt werden könne.
Nach dem Vortrag fand eine anregende Diskussionsrunde statt, bei der die Teilnehmer*innen von eigenen Erfahrungen mit Assistenztechnologien erzählten. Ein Teilnehmer berichtete davon, dass die Soziale Robotik in der Praxis den Versprechungen noch nicht gerecht wird. Bestätigt wurde dieser Eindruck von einer Pflegekraft, die mehr Zeit in das Erklären der Technik verwendet habe statt dadurch entlastet zu werden. Eine weitere Teilnehmerin schilderte Probleme bei der Implementierung von technischen Schulungsangeboten in Einrichtungen, da die Digitalisierung nur zögerlich umgesetzt wird. Als Barriere konnte damit bereits das Fehlen der Voraussetzungen für den Einsatz jeglicher onlinebasierter Assistenztechnologien identifiziert werden.
Die nächste Veranstaltung der Ringvorlesung "Gelingendes Altern" findet am Mittwoch, den 4. Oktober, von 18:00 bis ca. 19:00 Uhr statt. Prof. Dr. Eylert-Schwarz, Studiendekan für B.A. Sozial Arbeit wird unter dem Titel "Gut Altern im eigenen Umfeld - altersgerechte Sozialräume" der Frage nachgehen, wie ältere Menschen stärker in die Analyse und Gestaltung ihrer Sozialräume eingebunden und diese altersgerechter gestaltet werden können. Anmeldungen zu diesem kostenfreien Online-Vortrag können über die Website der HSD Hochschule Döpfer oder per E-Mail vorgenommen werden. Wir freuen uns!