Integration und Partizipation queerer Menschen im Alter

Wie ist es um die Lebenssituation älterer queerer Menschen bestellt, welchen spezifischen Herausforderungen sehen sie sich gegenüber? Im Rahmen ihres Vortrags „Queere Lebensrealitäten im Alter – ein Überblick“ erläuterte die Dozierende der HSD Hochschule Döpfer Sophia Nagelschmidt die Relevanz des Themas, beschrieb Herausforderungen und Diskriminierungserfahrungen und zeigte Interventionsmöglichkeiten auf.

Die Klinische Gerontopsychologin Sophia Nagelschmidt begann die Vorlesung mit einem Überblick über die Gerontologie, die Wissenschaft vom Prozess des Alterns und des Alters als Lebensphase, und definierte zunächst „Erfolgreiches Altern“. Letzteres ist abhängig vom Gesundheitsgrad, dem Erhalt und Neuerwerb von Kompetenzen, sozialer Integration, gesellschaftlicher Partizipation und Lebenszufriedenheit.

Lebensqualität im Alter: eine große Herausforderung

Für queere Menschen stelle die Aufrechterhaltung einer guten Lebensqualität im hohen Alter weiterhin eine besonders große Herausforderung dar, wenngleich historisch betrachtet viel erreicht worden sei, so Nagelschmidt. Während homosexuelle Frauen und Männer im Nationalsozialismus verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt worden seien und der verschärfte §175 des deutschen Strafgesetzbuches in der BRD noch bis 1969 Bestand gehabt habe, habe sich die Bewegung für die Gleichstellung und Rechte queerer Menschen seit den 1990er Jahren verstärkt.

Dennoch würden erlebte Diskriminierung, Stigmatisierung und soziale Isolation noch immer dazu führen, dass queere ältere Menschen im Vergleich systematisch schlechtere psychische Gesundheitsergebnisse aufwiesen – höhere Raten von Angst, Depression, Einsamkeit und Suizidgedanken. Traditionelle familiäre Unterstützung stehe ihnen häufig nicht zur Verfügung, private soziale Netze seien vergleichsweise kleiner. Zudem bestehe durch den eingeschränkten Zugang zu Ehegüterrechten ein erhöhtes Risiko für wirtschaftliche Unsicherheit und Altersarmut.

Spezifische Bedürfnisse verstehen und angehen

Aus diesen Lebensrealitäten resultiere ein besonderer Bedarf an sensibilisierten Gesundheitsdiensten. Referentin Nagelschmidt zeigte die Notwendigkeit für entsprechende Gesundheitsversorgung und Altenpflege für queere Senior*innen auf und kontrastierte dies mit der bisher äußerst geringen Anzahl an queersensiblen Pflegeheimen in Deutschland. „Es gibt eine zunehmende Sichtbarkeit und Anerkennung von queeren Identitäten, was die Notwendigkeit unterstreicht, ihre spezifischen Bedürfnisse im Alter zu verstehen und anzugehen. Hierbei appelliere ich an Akteur*innen der Altenarbeit und vor allem auch an die Politik."

Einblicke in die aktuelle Forschung sowie Forschungsdesiderata und Informationen zu Interventionsangeboten rundeten die höchst informative und aufrüttelnde Vorlesung ab. Nagelschmidt wies nicht nur auf Selbsthilfegruppen, Mentoring-Programme und Gesundheitsförderungen der Krankenkassen hin, sondern stellte auch die Arbeit von Silbernetz e. V. vor, einer Organisation von Ehrenamtlichen, die bundesweit älteren Menschen mit Einsamkeitsgefühlen Türen aus der Isolation öffnet.

Die nächste Veranstaltung im Rahmen der digitalen, kostenfreien Ringvorlesung der HSD Hochschule Döpfer findet virtuell am 08. Mai um 18.00 Uhr statt. Prof. Dr. Thomas Gehr, Professor für Klinische Pflege an der HSD Hochschule Döpfer, referiert zum Thema „Pflegt die pflegenden Angehörigen“. Anmelden können Sie sich hier.

 

Sophia Nagelschmidt ist Dozentin an der HSD Hochschule Döpfer und referierte zu queeren Lebensrealitäten im Alter.