Studieren unter Quarantäne – Tipps zur Psychohygiene – Prof. Dr. Janine Trunk und Prof. Dr. Ulrich Frick

Vergangene Woche hat an der HSD das Sommersemester 2020 begonnen. Es wird ein Semester werden in einer für uns alle beispiellosen Zeit der schnellen Veränderungen, der Unsicherheiten, mit manchmal leeren Fächern in Supermarktregalen, - aber vor allem mit Einschränkungen unserer sozialen Alltagsroutinen.

Dazu kommen oft Sorgen um Angehörige und auch um die eigene Gesundheit. Neue Situationen lösen bei fast jedem Menschen Ängste und Unsicherheiten aus. Das ist ganz normal!  Wir von der Hochschule Döpfer möchten einige Tipps mit Ihnen teilen, die Sie dabei unterstützen können, Sorgen und Unsicherheit und den Verlust vieler Routinen zu bewältigen. Die Tipps gelten nicht nur für unsere Studierenden oder Interessent*innen, sondern in allgemeiner Form praktisch für die gesamte Bevölkerung in Deutschland und darüber hinaus.

Wir beziehen uns dabei auf die Empfehlungen der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung, der Deutschen Gesellschaft für Psychologie sowie des französischen Bildungsministeriums.

1. Strukturieren Sie Ihren Tag!

Versuchen Sie, feste Schlafzeiten einzuhalten. Nutzen Sie die Zeit, die sie sonst mit dem Weg zur Hochschule verbringen, für ein Frühstück in Ruhe mit Lebensmitteln, die Sie gern mögen. Wenn es Ihnen schwerfällt, aus dem Bett zu kommen, planen Sie sich direkt nach dem Aufstehen kreislaufaktivierende Sportübungen oder ein Telefonat mit einer nahestehenden Person ein. Und ziehen Sie sich etwas Richtiges an! Auch wenn es streng genommen egal ist, ob Sie der virtuellen Vorlesung im Schlafanzug folgen, ist das Anziehen wichtig für das Aufrechterhalten der Tagesstruktur.

Legen Sie sich einen festen Arbeitsplatz an, den Sie – wenn möglich - zu den gewohnten Pausenzeiten verlassen können. Versuchen Sie – ebenfalls wenn möglich – den Arbeitsplatz am Computer vom Freizeitplatz Zuhause zu trennen! In den Pausen der virtuellen Lehrveranstaltungen sollten Sie versuchen sich zu bewegen, siehe unten.

In intensiven Phasen des Selbststudiums sollten Sie Lernpausen wie gewohnt einlegen und bei dem schönen Frühjahrswetter für Bewegung an der frischen Luft sorgen. Studentische Lerngruppen können Sie weiterhin aufrechterhalten über die virtuellen Lernplattformen.

2. Bleiben Sie in Bewegung!

Machen sie z. B. regelmäßig Atem- und Dehnübungen, auch bei geöffnetem Fenster. Angst ist vor allem eine körperliche Reaktion. Durch Atmen und Bewegungsübungen signalisieren Sie sich selbst: „Jetzt in diesem Moment ist hier alles in Ordnung.“
Wenn Sie wöchentliche Sportzeiten haben, planen Sie diese wie gehabt in Ihren Tagesplan ein. Bei schlechtem Wetter können Apps und Videokanäle Sie dabei unterstützen. Einige Sportvereine bieten auch virtuelle Kurse an!

3. Essen und trinken Sie regelmäßig und ausreichend!

Für unser seelisches Gleichgewicht ist eine ausgewogene Ernährung wichtig. Wenn wir gestresst sind, braucht unser Körper mehr Flüssigkeit. Regelmäßige Mahlzeiten unterstützen auch die Tagesstrukturierung.

4. Dosieren Sie die Informationen rund um Corona!

Dauernd auf der Suche nach den neuesten Entwicklungen zu sein, versetzt Körper und Seele in einen permanenten Alarmzustand, oft mit negativen Folgen für die Schlafqualität.

Um einer „Infodemie“ vorzubeugen, überlegen Sie sich feste Zeiten, in denen Sie sich über Corona und die aktuelle Situation informieren möchten. Wenn Sie feststellen, dass Sie nach Gesprächen über -, oder Informationen zu Corona berunruhigter sind, begrenzen Sie die Informationssuche auf 15 Minuten täglich und lesen keine Nachrichten mehr vor dem Schlafengehen! Lesen Sie stattdessen ein Buch oder machen eine Entspannungsübung.

5. Physical Distancing ist etwas anderes als Social Distancing!

In neuen Situationen wird unser soziales Bindungssystem aktiviert: Wir suchen die Nähe vertrauter Personen, bei denen wir uns geborgen und sicher fühlen. Wenn aber räumlich nahe soziale Kontakte zur Durchbrechung von Ansteckungsketten auf ein Minimum reduziert werden sollen, liegt hier eine große Herausforderung. Nutzen Sie Gelegenheiten im sozialen Raum daher bewusst. Lächeln Sie den Menschen, denen Sie begegnen, aus der Distanz zu. Lächeln aktiviert Hirnareale, die das Wohlbefinden steigern und vermittelt ein Gefühl von Solidarität. Sprechen Sie mit Ihren Freundinnen und Freunden, mit Ihren WG-Mitbewohner*innen und Ihrer Familie über die aktuelle Lage und nehmen Sie die Sorgen anderer ernst.

Aber begrenzen Sie diese Gespräche auch bewusst zugunsten anderer Aktivitäten wie gemeinsames Spielen, Musikhören oder Filme anschauen. Sich abzulenken ist erlaubt und wichtig! Denken Sie auch an Alleinstehende in Ihrem Umfeld – jetzt ist die Zeit für regelmäßige Telefonate. Sich um andere zu kümmern, das kann auch für Sie selber eine gute Bewältigungsstrategie sein.

6. Freizeit ist wichtig – aber anders als bisher!

Viele Freizeitaktivitäten sind gerade nicht möglich. Sich zu beschäftigen, ist für einige Menschen ohne Anregung von außen (durch Sportverein, Kino, Kneipe, Theater oder Konzert) eine Herausforderung. Manches lässt sich über Mediennutzung kompensieren.

Nehmen Sie sich für jeden Tag eine kleine Aufgabe vor, die Sie erledigen möchten. Auch das hilft bei der Tagesstrukturierung und beugt depressiven Verstimmungen vor. Unser Gehirn liebt es, etwas geschafft zu haben! Aufräumen ist sehr geeignet für den Erhalt der psychischen Stabilität. Wenn draußen alles ungewiss ist – bei Ihnen ist etwas geordnet. Vielleicht ist jetzt die Zeit, lang vergessene Hobbys zu reaktivieren (evtl. sogar aus Kindertagen: Womit haben Sie sich früher an Regentagen beschäftigt?). Besonders geeignet ist alles, was Ihr Gehirn fordert, so dass Sie gar nicht dazu kommen, sich zu sorgen (z. B. Sudoku, Puzzle, komplizierte Handarbeiten, Programmieren, Sprachen lernen). Probieren Sie aus, was zu Ihnen passt!

Wenn Sie Kinder oder jüngere Geschwister haben, sprechen Sie mit ihnen über die aktuelle Situation. Berücksichtigen Sie den kindlichen Entwicklungsstand und würdigen Sie die Sorgen, die mit den aktuellen Einschränkungen und Sorgen verbunden sind und klären Sie die Kinder altersentsprechend auf. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hält Materialien dazu bereit. Hier können auch kostenfrei Materialien für Kinder zum Malen und Basteln bestellt werden. Und lassen Sie überdies Schule Schule sein. Es ist wichtig, auch für Kinder den Tag zu strukturieren, und da gehört aktuell Home-Schooling dazu. Vermeiden Sie aber Konflikte um die Aufgabenerledigung. Ihre Kinder oder Geschwister brauchen jetzt zuvorderst Zuwendung und Sicherheit.

7. Rauchen und Alkoholkonsum?

Dass Rauchen in diesen Zeiten der SARS-CoV-2 Epidemie besonders ungünstig ist, liegt auf der Hand. Wenn Sie Raucher*in sind und mit diesem Faktum unzufrieden: Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt für den Exit! Rauchen schädigt Lungen und das Immunsystem. In der aktuellen Krise zeigt sich daher, dass Rauchen häufiger zu einem bedrohlichen Verlauf einer COVID-19 Erkrankung führt. Selbst wenn Sie sich kurzfristig nicht unbedingt durch einen Exit jetzt vor diesen Risiken schützen könnten (was aber noch nicht klar ist), mittel- und langfristig profitieren Sie.

Auch exzessiver Alkoholkonsum hat nachteilige Folgen für das Immunsystem. Sowohl bei der Ansteckungsgefahr wie bei der nachfolgenden Auseinandersetzung Ihres Körpers mit einer Infektion ist das von Bedeutung, und zwar ganz kurzfristig! Im Rausch gehen viele Leute unsinnige Risiken ein, die sie sonst vermeiden. Eine präventive Wirkung von Alkoholkonsum vor einer SARS-CoV-2 Infektion ist ganz klar „fake news“. Und niemand kann sich die gegenwärtig belastende Situation mit einer Alkohol-basierten Bewältigungsstrategie „schön trinken“. Sie sollten (wie auch in anderen Zeiten!) daher die „Low Risk Drinking Guidelines“ der Weltgesundheitsorganisation (vgl. http://www.euro.who.int/en/health-topics/disease-prevention/alcohol-use/data-and-statistics/q-and-a-how-can-i-drink-alcohol-safely ) einhalten. Aber wie schon bisher gilt: Es gibt keine Schranke, unterhalb derer sie Alkohol ohne jede Gesundheitsgefahr trinken könnten.

Niedergelassene Psychotherapeut*innen zählen zur medizinischen Grundversorgung. Die Praxen sind daher weitestgehend geöffnet. Alternativ werden nun auch virtuelle Sprechstunden angeboten, die auch für ein Erstgespräch genutzt werden können. Unter der 116 117, der bundesweiten Vermittlungszentrale der Kassenärztlichen Vereinigung, bekommen Sie zeitnah – oft innerhalb einer Woche - einen Termin bei einer/einem kassenärztlich zugelassenen Kollegin/Kollegen in Ihrer Nähe.

Darüber hinaus haben wir unten einige hilfreiche Telefonnummern für Sie zusammengetragen.

Wir wünschen Ihnen einen guten Start ins Semester und passen Sie auf sich auf!

Telefonseelsorge
Telefon: 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222
https://www.telefonseelsorge.de

Infotelefon Deutsche Depressionshilfe
Telefon: 0800 / 33 44 533
https://www.deutsche-depressionshilfe.de

Häusliche Gewalt
Hilfetelefon: 08000 116 016, rund um die Uhr erreichbar
https://www.hilfetelefon.de/gewalt-gegen-frauen/haeusliche-gewalt.html