Sarkopenie und Frailty oder wie wir uns an der Queen ein Beispiel nehmen können

Muskelkraft und Muskelmasse werden weniger und auch die körperliche Leistungsfähigkeit nimmt ab: Handelt es sich dabei um das geriatrische Syndrom der Sarkopenie? Und wie kann Sarkopenie vom sogenannten Frailty-Syndrom differenziert werden? Diese und andere Antworten auf Fragestellungen rund um Sarkopenie und Frailty standen im Fokus der ersten Ausgabe der After Work Lecture an der HSD, für das Dr. Tobias Braun, Professor für Physiotherapie, den Anfang übernahm. Prof. Dr. Yvonne Treusch, Vize-Präsidentin für Lehre, und Studiendekanatsleiterin für Angewandte Therapiewissenschaften, begrüßte die rund 50 virtuell zugeschalten Gäste und moderierte die Diskussion.

Hohe Anzahl an Sarkopenie-Fällen in Pflegeheimen

Zu Beginn seiner After Work Lecture stellte Prof. Dr. Tobias Braun das wissenschaftliche und klinische Begriffsverständnis vor und erläuterte, dass Sarkopenie mittlerweile international als Muskelerkrankung anerkannt ist. So wurde das Krankheitsbild im ICD-10 bereits 2018 aufgenommen. Um Sarkopenie zu diagnostizieren lassen sich auf Basis von Messungen der Muskelkraft und der Muskelmasse sowie der Erhebung von körperlicher Leistungsfähigkeit auch Rückschlüsse auf die Schwere der Sarkopenie ziehen. Mit einem Blick auf die Prävalenz des Syndroms kann vermutet werden, dass es sich bei Sarkopenie um eine Erkrankung handelt, die für die physiotherapeutische Praxis zukünftige zunehmend an Relevanz gewinnen könnten. Eine Meta-Analyse belegt zudem, dass in Pflegeheimen circa 30% der weiblichen Bewohnerinnen und circa 50% der männlichen Bewohner von Sarkopenie betroffen sind. Der sympathische Referent ging, basierend auf Empfehlungen in internationalen Leitlinien, neben den Messmethoden auch auf Therapiemöglichkeiten ein und hielt Literaturempfehlungen bereit.

Foto: Prof. Dr. Tobias Braun, der an der HSD „Angewandte Therapiewissenschaften“ mit dem Schwerpunkt Physiotherapie lehrt, griff mit "Frailty und Sarkopenie" ein Thema auf, das innerhalb der praktischen Arbeit verstärkt Berücksichtigung findet.

Frailty – besondere Gefährdung bei Frauen?

Auch bezüglich des physiologischen Syndroms der Frailty, das durch eine reduzierte Reserve und verminderte Abwehrfähigkeit von Stressoren charakterisiert wird, hielt Prof. Dr. Braun Wissenswertes und neueste Erkenntnisse aus der Forschung für sein Publikum bereit. Er ging unter anderem auf die konzeptionellen Modelle von Fried (2001) sowie Rockwood & Mitnitsk (2001) ein und präsentierte Zahlen zur Prävalenz. Demnach seien Frauen in allen Altersgruppen mehr gefährdet als Männern in den entsprechenden Alterskategorien. Zu den Folgenerscheinungen der Frailty gehören Braun zufolge u.a. eine Entwicklung kognitiver Beeinträchtigungen, Stürze, Pflegebedürftigkeit, Mortalität, Krankenhauseinweisungen oder eine reduzierte Lebensqualität.

Prophylaxe „Liebe zu Philip“

Über den Zusammenhang von Sarkopenie und Frailty gibt es nach Auskunft von Tobias Braun keine Konstante: „Nicht alle Menschen mit Sarkopenie haben Frailty. Nicht alle Menschen mit Frailty haben Sarkopenie.“ Für den einen oder anderen Schmunzler sorgte Prof. Dr. Braun zum Abschluss seiner After Work Lecture, in dem er die kürzlich verstorbene Queen Elisabeth als Beispiel für gesundes Altern präsentierte. So habe sie selbst unter anderem durch ihr Ernährungsverhalten, ihre besondere Liebe zu Philip oder ihre regelmäßigen Spaziergänge mit ihren Hunden viel zu einem gesunden Lebensstil und der Vermeidung einer Frailty beigetragen.

In der anschließenden Diskussion stand vor allem eine Fragestellung im Zentrum: Wie bringt man Menschen dazu, den Empfehlungen von Therapeut*innen Folge zu leisten? Für Prof. Dr. med. Kretschmer, Experte für Alterstraumatologie, handelt es sich dabei um eine Frage nach den „Lifestyle-Changern“. Die Karten stehen gut, dass im Rahmen von interdisziplinären Ansätzen, die aktuell an der HSD in neuen Forschungsarbeiten angedacht werden, diese oder ähnliche Forschungsfragen weiter aufgegriffen werden.