„A mind is like a parachute. It doesn’t work, if it’s not open.” (Frank Zappa)

Ein grandioser Geist, unbeugsamer Denker und großes Vorbild verlässt die Bühne. Gedanken und in Gedenken zum Leben und Wirken von Prof. Dr. habil Ulrich Frick.

Der Fallschirm von Prof. Dr. Uli Frick ist wieder geschlossen. Vorbei sind die lehrreichen, aber nie belehrenden Stunden gefüllt mit beeindruckender Expertise eines international gefragten Wissenschaftlers und zugleich eigen-sin(g)nigen Musikers, der an Wortwitz nicht geizte.

Was bleibt? Was bleibt von einem Leben, das jäh beendet wurde und darauf gewartet hat, sich in den (Un-)Ruhezustand zu begeben? Sein expliziter Wunsch: Sich nicht zur Ruhe zu setzen und schon gar nicht zur letzten Ruhe. Welch unfassbare Tragik, dass er nur kurze Zeit nach seiner Verabschiedung verstarb. Mit Paul Simons „50 ways to leave your lover“, das er eigens auf die HSD umgetextet hat, zog sich der zum Professor auf Lebenszeit berufene Wissenschaftler aus dem Campusleben zurück und hat das letzte Mal für uns seine Stimme erhoben. Sein früher Tod am 27. Januar wird damit zum Mahnmal für alle, die ihr Leben erst mit Beginn der Rente mit „echtem“ Leben füllen wollen. Doch damit würde man ihm nicht gerecht werden. Denn leben konnte er. Und singen, musizieren, komponieren und vor allem eines: Denken wie es nur Wenige tun.

Befragt man seine Weggefährt*innen in einer nicht repräsentativen Erhebung, die jeglichem Instrumentarium der sozialwissenschaftlichen Forschung trotzt, so war Uli Frick ein Mann mit Haltung. Er diskutierte auf Augenhöhe und leidenschaftlich, und vertrat seine Meinung, auch wenn man sie in diesem Moment nicht hören wollte. Trotz seines stark ausgeprägten Willens war er bereit, sie zugunsten einer überzeugenderen Argumentation zu ändern. Genau diese Eigenschaften zeichnete ihn aus: Neue Perspektiven und Sichtweisen anzunehmen.

Ein Wort fällt häufig, wenn Kolleg*innen den Versuch unternehmen, ihn zu charakterisieren: „Wertschätzung“. Uli schien mit diesem Terminus auf Du-und-Du zu stehen, noch lange bevor er zum Modewort wurde.

Er war ein Doktorvater, auf den diese Bezeichnung im wahrsten Sinne des Wortes zutraf. Väterlich, ausgestattet mit einem „unfassbaren Wissen“ und der seinen Doktorand*innen der HSD auch mal das heimische Sofa anbot, wenn sie fern der Heimat anreisten. Er stärkte ihnen den Rücken und war fast immer erreichbar – mit Ausnahme von Sitzungen vor 9:30 Uhr, die er kategorisch ablehnte. Da nutzen die besten Argumente kaum etwas.

Uli Frick war ein bunter Hund. Vielleicht hätte ihm als Verehrer guter Jazzmusik und Fan der österreichischen Pop-Band EAV die Bezeichnung gefallen. Im akademischen Betrieb entspricht dies eher einem interdisziplinär Forschenden: Ein Studium der Psychologie an der LMU, danach studierte er „Komposition & Arrangement (Jazz)“ am Konservatorium der Stadt Wien. Die Promotion zum Dr.rer.biol.hum. erfolgte am Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie der LMU München über die Wahrnehmung von gesundheitsbezogenen Risiken bei Adoleszenten. Die Habilitation für das Lehrgebiet Public Health erlangte er an der Medizinischen Fakultät der Universität Regensburg über Krankenhausvergleiche. Anschließend nahm er den Ruf auf die Professur für „Public Health“ an der Fachhochschule Kärnten an. Zum WiSe 2013/14 wurde er zum Professor im Studiengang „Angewandte Psychologie“ an der HSD Hochschule Döpfer berufen.

Prof. Dr. habil. Ulrich Frick war in seiner nachfolgenden Zeit mehr als „nur“ der Gründungsdekan des Fachbereichs Psychologie an der HSD in Köln und mehr als nur der Leiter des Forschungszentrums, das er ins Leben gerufen und aufgebaut hat. Sein Anteil an der Grundsteinlegung und am Wachsen der HSD war groß. Sehr groß. Was wäre aus der HSD geworden ohne seine Interaktionen im Wissenschaftsministerium in NRW? Ohne sein Dabeisein und seine klugen Interventionen und federführendes Einwirken mit dem Ziel den Hochschulstatus für die HSD sicherzustellen?

Fricks oft schillernde Publikationsliste liest sich länger als ein Einkaufszettel einer Großfamilie für ein gesamtes Jahr. Seine publizistische Tätigkeit begann mit „Rockmusik als Ware“ (1983) und endete u.a. mit „Can Virtual Art Touch Your Heart?—The Impact of Virtual Reality Art on Affect Considering Individual Characteristics and Aesthetic Experiences” (2023) und “Digital competence in adolescents and young adults: a critical analysis of concomitant variables, methodologies and intervention strategies” (2024) als Co-Autor. Seine letzte Erstautorenschaft über die Auswirkungen der App-Nutzung von arabisch sprechenden Flüchtlingen eines von ihm mitinitiierten Angebots (“A Mobile-Based Preventive Intervention for Young, Arabic-Speaking Asylum Seekers During the COVID-19 Pandemic in Germany: Design and Implementation”, 2023) liegt nicht lange zurück. Bis zuletzt war er als wissenschaftlicher Berater an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg am Lehrstuhl für klinische Epidemiologie und Biometrie tätig.

Mit seinem Fokus auf Public Health sowie der Erforschung von Alkoholmissbrauch wurde ihm internationale Anerkennung zuteil, in dem ihn die WHO zum Mitglied ihrer Gruppe „Comparative Risk Assessment Collaborating (Subgroup on Alcohol)“ berufen hat. Besonders tragisch mutet der Umstand an, dass er zum Thema Risikowahrnehmung geforscht hat und sich des Risikos seiner geplanten Operation bewusst war. Statistisch betrachtet ein wohl kalkulierbares Risiko. Doch Trost spendet die Wissenschaft in diesem Kontext nicht. Sie offenbart uns hier ihre ganze Unbarmherzigkeit.

Sein Verständnis von Wissenschaftskommunikation trieb manch seiner Forschungspartner*innen dazu, über den eigenen Schatten zu springen. So wurden sie zum Beispiel zu Schauspieler*innen seines eigens kreierten Formats „Smart aber unfair”, um das gemeinsame Ma-Ma-Märchenprinz-Projekt vorzustellen. Auch in den nächsten Jahren wird er posthum als Motivator für Studierende der HSD agieren: Das Forschungszentrum schreibt einen Forschungspreis zur jährlichen Vergabe aus, der ihm gewidmet ist und seinen Namen trägt.

Ebenso eindrucksvoll wie seine Publikationsliste liest sich seine musikalische Vita. Welcher Professor kann schon von sich behaupten, dass er auf Deutschland-Tournee mit einem eigenen Rockmusical („Herzglück“ im Sommer 1986) war? Ein Jahr vorher gehörte er zu den Preisträger*innen im Landeswettbewerb Jazz mit der eigenen Gruppe „Vienna´s Violent Violins“ in Krems. Bis 2018 sang er noch im Jazz-Chor der Universität zu Köln.

Was ist es, was bleibt? Es ist nicht wenig, was er uns geschenkt hat: Seine Forschungsergebnisse, seine Musik, seine Wissenschaftsinszenierungen, die Reminiszenzen an Gesprächen mit ihm und seine kreativen Verabschiedungen mit musikalischen Einlagen für Kolleg*innen.

Die Komposition des Lebens von Uli Frick ist zu Ende. In seinem Leben haben mindestens drei Leben Platz gehabt. Wir verneigen uns, applaudieren im Stillen und mit Tränen. Wir verbeugen uns vor einem Vorbild, einer beeindruckenden Persönlichkeit, einem Professor der alten Garde, der nicht nur Lehrender, sondern auch Gelehrter war. Und nebenbei bemerkt: ein frecher, humorvoller, streitbarer, wacher Geist, dem viele mit Respekt begegnet sind und den wir vermissen werden.

Das Licht an der HSD bleibt für ihn an.