Wer lehrt die Pflegekräfte?

Wer lehrt die Pflegekräfte?

Pflegekräfte fehlen an allen Ecken und Enden in der Oberpfalz – das wissen wir mittlerweile. Jedoch kann es nun auch zu Engpässen an Lehrkräften in Berufsfachschulen für Pflege- und Gesundheitsberufe kommen. Denn die Änderung des Pflegeberufegesetzes und weiterer Berufegesetze trägt nicht zur Entlastung bei. Es wird eher von einer Verschärfung ausgegangen: Wer in Zukunft an Gesundheits- und Pflegefachschulen unterrichten möchte, braucht neben der entsprechenden Ausbildung einen Bachelor-Abschluss mit pädagogischem Schwerpunkt bzw. in der Medizin- oder Gesundheitspädagogik. Der Bachelor allein reicht jedoch nur für die Vermittlung von praktischem Wissen aus. Für die theoretischen Lehre ist sogar ein Master-Niveau erforderlich. Wer eine Leitungsfunktion bekleiden will, benötigt ebenfalls den Master. Einen Bestandsschutz gibt es lediglich es für Lehrkräfte, die je nach gesetzlicher Regelung bis zu einem bestimmten Stichtag angestellt waren. Dennoch möchten auch diese Lehrkräfte zumeist nun den neuen Anforderungen entsprechen. Eine Vollakademisierung vom Bachelor bis zum Master in Teilzeit und ohne NC ist beispielsweise an der HSD Hochschule Döpfer in Regensburg innerhalb von zwölf Semestern möglich. Für den Bachelor-Abschluss in Medizinpädagogik sind sechs Semester angesetzt, ebenso für den Master.

Stärkere Personalknappheit an qualifizierten Lehrkräften

Der Studiendekan für Medizinpädagogik, Prof. Dr. Fabian Karsch von der HSD Hochschule in Regensburg, bestätigt die Annahme des zu erwartenden Fachkräftemangels: „Kurz- und mittelfristig könnte die gesetzlich verordnete Akademisierung zu noch stärkerer Personalknappheit führen, denn die Nachfrage ist jetzt schon enorm. Aber wir arbeiten daran, ein umfangreiches und niedrigschwelliges Studienangebot für alle zu schaffen, so dass wir langfristig genug Lehrkräfte auf hohem Niveau ausbilden werden.” Er erklärt, dass eine Änderung der Zulassungsvoraussetzung für den Lehrberuf in Pflege- und Gesundheitsfachschulen durchaus ihre Berechtigung habe: „Wenn die Qualifikation angehoben wird, bedeutet dies grundsätzlich etwas Positives für unser Gesundheitssystem. Durch eine akademische Ausbildung des Lehrpersonals können aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung in die Lehrpraxis einfließen. Der Transfer von Theorie und Praxis ist immer ein besonderer Schwerpunkt von praxisorientierten Hochschulen wie der HSD“. Seine Kollegin Sylke Gutjahr, Dozentin und Studierendenberaterin an der HSD, fügt ergänzend hinzu: „Ein gutes Beispiel dafür sind die Unterrichtsprojekte, die im Rahmen des Studienganges absolviert werden. Hier setzen die Studierenden ihre in den theoretischen Modulen erworbenen Kompetenzen in die Praxis um. Begleitet werden sie dabei sowohl seitens der Hochschule als auch durch die Lehrenden an den Bildungseinrichtungen.“

40 Prozent der Lehrer sind über 55 Jahre und älter

Aus einer Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus ging bereits Ende letzten Jahres hervor, dass mit dem Mangel an Pflegekräften auch ein Mangel an Lehrpersonal einhergehen würde. So heißt es in dem Schreiben: „In der Tat herrscht an Pflegeschulen derzeit ein großer Mangel an qualifizierten Lehrkräften.“ Wie hoch sich dieser Mangel in den nächsten Jahren genau beziffert, lässt sich schwer hervorsagen. In der Oberpfalz selbst waren demnach im vergangenen Schuljahr knapp 122 Vollzeitlehrereinheiten in Pflegeschulen mit unbefristeten voll- oder teilzeitbeschäftigten Lehrkräften besetzt. Von diesem Lehrpersonal sind über 40 Prozent 55 Jahre und älter. Auch die HSD Hochschule in Regensburg bekommt die engagierte Suche nach Lehrpersonal aus den hiesigen Pflege- und Gesundheitsfachschulen besonders zu spüren. Jedoch dürfen nur noch Kooperationspartner der Hochschule ihre Stellenangebote aushängen. Dies ist eine Maßnahme, damit Schulträger nicht zu Lasten von Kliniken und Schulen, die ihren Arbeitnehmer*innen das Studium finanzieren, deren Mitarbeiter*innen bzw. Studierenden abwerben. Prof. Dr. Karsch rät den Berufsfachschulen dazu, sich mit den Hochschulen gut zu vernetzen – sei es in Forschung, für Unterrichtspraktika oder in der Lehre. „Angesichts des umfassenden Fachkräftemangels sind die Bildungsinstitutionen im Gesundheitswesen auf verlässliche und professionelle Zusammenarbeit angewiesen. Bei uns an der HSD ist eine Kooperation kostenlos, daher geht man kein Risiko ein, sondern sorgt für die Zukunft strategisch geschickt vor“, so Karsch. Die Gesetzgebung ändert sich aktuell auch in anderen Gesundheitsberufen. Das Notfallsanitätergesetz sieht beispielsweise die Akademisierung ebenso vor wie das MTA-Reform Gesetz für Medizinisch-Technische Assistent*innen sowie das Anästhesietechnische- und Operationstechnische-Assistenten-Gesetz (=OTA/ATA). Sylke Gutjahr weiß diesbezüglich mehr: „Das neue Berufsgesetz der ATAs/OTAs fordert für festangestellte Lehrkräfte, neben einer fachlichen Qualifizierung in der Anästhesie- oder Operationstechnik explizit den Abschluss einer abgeschlossenen Hochschulausbildung im Bereich der Pädagogik.“

Der Pflege erhalten bleiben

Im Zuge der Pandemie haben sich nochmals mehr Pflegende entschieden, ihren Job an den Nagel zu hängen. Zahlen der Agentur für Arbeit belegen, dass es im Januar – vermutlich auch aufgrund der Impfpflicht – zu einem Anstieg von Arbeitssuchenden auf dem deutschen Arbeitsmarkt gekommen ist. So waren es deutschlandweit in den Monaten Dezember 2021 bis März 2022 mehr als 43.000 Arbeitssuchendmeldungen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen, darunter über 20.000 Personen mit Pflegeberufen. Für diese könnte der steigende Bedarf an Lehrpersonal eine gute Nachricht sein: Wer nicht mehr in der Pflege im direkten Austausch mit den zu Pflegenden arbeiten möchte, hat gute Chancen in den Schulbetrieb zu wechseln, statt sich komplett umzuorientieren. Für ein Bachelor-Studium z. B. der Medizinpädagogik an der HSD in Regensburg ist ein Abitur nicht notwendig: Auch mit Fachhochschulreife oder einer abgeschlossenen mindestens zweijährigen Ausbildung mit anschließender mindestens dreijähriger Berufserfahrung, die fachlich dem angestrebten Studium entsprechen, stehen die Wege zur Akademisierung offen. Zusätzlich muss ein Abschluss in einem Pflege- oder Therapieberuf vorliegen oder in einem medizinisch-technische Assistenzberuf. Auch Notfallsanitäter*innen sowie Diätassistent*innen werden an der HSD zum Studium zugelassen. Weitere Infos zum Bachelor-Studium der Medizinpädagogik gibt es unter https://www.hs-doepfer.de/studium/ba-medizinpaedagogik.

Master-Niveau für künftige Schulleiter

Auch für Schulleiter*innen und Lehrkräfte in Leitungsfunktionen an Pflege- oder Gesund-heitsfachschulen hält die Berufegesetzreform eine Änderung parat: So haben sie noch bis 31.12.2029 Zeit für einen erfolgreichen Abschluss eines Masters mit pädagogischem Schwerpunkt oder in Medizin- oder Gesundheitspädagogik. Infos zum Master in Regensburg sind unter https://www.hs-doepfer.de/studium/ma-medizinpaedagogik zu finden.

 

 


Weiterführende Links/Quellen:

MTA Dialog | Über das Berufsbild des/der Medizinpädagog*in: https://www.mta-dialog.de/artikel/medizinpaedagogen-innen-ein-beruf-mit-zukunft

Bayer. Landtag | Beleg über Zahlen aus der Oberpfalz zur Personalsituation an den Pflegeschulen, vgl. letzte Seite: https://www1.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP18/Drucksachen/Schriftliche%20Anfragen/18_0018139.pdf

Agentur für Arbeit | Statistik zur Arbeitslosenquote von Pflegepersonal: https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Statistiken/Themen-im-Fokus/Berufe/Generische-Publikationen/Altenpflege.pdf?__blob=publicationFile&v=14

Pflegeberufegesetz | Gesetz über die Pflegeberufe 1 § 9 Mindestanforderungen an Pflegeschulen: https://www.gesetze-im-internet.de/pflbg/__9.html

Gesetz über Pflegeberufe: https://www.gesetze-im-internet.de/pflbg/BJNR258110017.html

Bundesregierung | Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Reform der technischen Assistenzberufe in der Medizin und zur Änderung weiterer Gesetze: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/M/MTA-Reformgesetz-BT-181120.pdf

Anästhesietechnische- und Operationstechnische-Assistenten-Gesetz - ATA-OTA-G) | § 22 über die Mindestanforderungen an Schulen: http://www.gesetze-im-internet.de/ata-ota-g/BJNR276810019.html

 

 

Prof. Dr. Fabian Karsch ist Studiendekan für den B.A. Medizinpädagogik an der HSD Hochschule in Regensburg. Er sieht den Auswirkungen der Reform der Berufegesetze auf das Gesundheitswesen positiv entgegen. Foto: HSD Hochschule Döpfer.

Sylke Gutjahr arbeitet als Dozentin und Studierendenberaterin an der HSD Hochschule Döpfer. Sie sorgt für eine guten Austausch zwischen Hochschule und den schulischen Ausbil-dungsstätten. Foto: HSD Hochschule Döpfer.