Unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht ist weit mehr als ein individuelles Problem einzelner Schüler*innen. Schulabsentismus spiegelt eine komplexe Gemengelage aus psychischen Belastungen, sozialen Konflikten und systemischen Versäumnissen wider – mit gravierenden Folgen für Bildungsbiografien. In einem Vortrag an der HSD Hochschule Döpfer analysierte Prof. Dr. Andrea Gergen Ursachen, Warnsignale und Handlungsansätze für ein drängendes Thema an der Schnittstelle von Schule, Sozialer Arbeit und Psychologie.
Was tun, wenn Kinder und Jugendliche der Schule dauerhaft fernbleiben? Welche Ursachen liegen dem zugrunde – und wie können Schule, Jugendhilfe und psychosoziale Fachkräfte wirksam gegensteuern? Diese Fragen standen im Zentrum des Abendvortrags von Prof. Dr. Andrea Gergen am vergangenen Donnerstag. Die Veranstaltung fand virtuell im Rahmen der Reihe „Psychology meets Social Work“ an der HSD Hochschule Döpfer statt.
Gergen begann mit einer grundlegenden Einordnung: Schulabsentismus sei ein neutraler Sammelbegriff für unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht – unabhängig von der Ursache. Drei Hauptformen ließen sich unterscheiden: das Schulschwänzen, angstbedingtes Meidungsverhalten sowie elterlich geduldete Versäumnisse. Oft lägen komplexe psychische, soziale oder strukturelle Hintergründe vor – von Angststörungen, depressiven Symptomen und sozialen Phobien über familiäre Belastungssituationen bis hin zu entwicklungsbedingten Störungen. Besonders betonte Gergen die Risiken und Konsequenzen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen: „Fehlende Abschlüsse, erschwerte Berufseinstiege, soziale Isolation und eine Verstärkung psychischer Probleme sind keine Seltenheit. Entscheidend ist eine frühzeitige Diagnostik, multiprofessionelle Kooperation und eine individuelle Fallarbeit, die sowohl therapeutische als auch pädagogische Maßnahmen umfassen.“ Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen und Schulpsycholog*innen müssten dabei eng zusammenarbeiten und Eltern mit ins Boot holen.
In ihrem Fazit plädierte Prof. Dr. Gergen für eine „Haltung des Hinsehens“ und eine Stärkung präventiver Strukturen. Schulabsentismus dürfe nicht als individuelles Fehlverhalten stigmatisiert werden, sondern müsse als Indikator für tieferliegende Herausforderungen im System Schule verstanden werden. Besonders im post-pandemischen Kontext sei es notwendig, Schulentwicklung und Sozialarbeit enger zu verzahnen – und kein Kind verloren zu geben.
Am 4. Juni um 18:00 Uhr wird Prof. Dr. Andreas Eylert-Schwarz zum Thema „Ich? Niemals! Vorurteile und innere Schubladen in Pädagogik und Sozialer Arbeit“ referieren. Hier zur Anmeldung. Das weitere Programm der Vorlesungsreihe „Psychology meets Social Work“ mit öffentlichen und kostenfreien Fachvorträgen der HSD finden Sie hier.