Senior*innen als Stadtteildetektive

Sorgenvoll sah HSD-Professor Andreas Eylert-Schwarz an diesem Freitag im Mai aus dem Fenster der Hochschule am Regensburger Stadtpark. Seit Stunden regnete es und ein Ende schien nicht in Sicht. Die Aktion, die er seit Monaten zusammen mit seinen Studierenden geplant hatte, drohte buchstäblich ins Wasser zu fallen. Da halfen auch die aufmunternden Worte der Kolleginnen nichts. „Wenn niemand kommt, dann können wir den Feldaufenthalt nicht durchführen“, brummelte der Dozent noch, als er sich die Kapuze aufsetzte und sich mit Kisten voll Klemmbretter, Plakaten und Fragebögen auf den Weg in den Regensburger Norden machte. Dort warteten im Pfarrsaal der St. Konrad-Gemeinde bereits zehn Studierende der Sozialen Arbeit auf ihn, denn heute sollte die Stadtteilbegehung mit Senior*innen stattfinden. Nachdem Kaffee gekocht und die Tische mit Geschirr und Kuchen eingedeckt waren, der Raum mit vergrößerten Stadtplänen und verschiedenen Arbeitsecken vorbereitet und letzte Absprachen getroffen waren, begann die Wartezeit.

„Die da sind, sind die Richtigen“

Trotz des anhaltenden Regens trafen bis 15 Uhr ein gutes Dutzend ältere Bewohner*innen aus dem Regensburger Norden ein, die der Einladung verschiedener Seniorengruppen gefolgt waren. „In der Sozialen Arbeit sagen wir `Die, die da sind, sind die Richtigen´. Sie können sich also schonmal auf die Schulter klopfen, denn Sie sind die Richtigen, Sie haben sich heute auf den Weg gemacht, um uns etwas aus Ihrem Alltag zu berichten und Ihren Stadtteil zu zeigen. Wir wollen heute versuchen, Regensburg Nord ein wenig mit Ihren Augen zu sehen“, begrüßte Prof. Dr. Andreas Eylert-Schwarz die Anwesenden. Auch die Leiterin der Stadtseniorenarbeit in Regensburg, eine „Stadtteilkümmerin“ sowie ein Vertreter des Seniorenbeirats begrüßten die Teilnehmenden und beteiligten sich im Anschluss am Austausch. Das Stadtseniorenamt Regensburg unterstützte die Aktion organisatorisch und durch die Finanzierung von Kuchen und Getränken.

Spaziergänge, Einkäufe und Mobilität

Nach der Einführung und der Stärkung mit Tee, Kaffee und Kuchen ging es an die Arbeit: Die Studierenden gingen auf ein bis zwei Senior*innen zu und befragten sie zu den „guten Orten“, an denen sich die älteren Einwohner*innen wohl fühlen, ihren Treffpunkten, den gemiedenen Orten sowie ihren Verbesserungsvorschlägen. Einige Gruppen machten sich sogar trotz des anhaltend wechselhaften Wetters auf einen kleinen Fotostreifzug und Stadtteilspaziergang. Hierbei zeigten die Senior*innen den Student*innen zum Beispiel ihre liebste Spazierstrecke im Park, eine als unsicher empfundene Bushaltestelle oder das Einkaufszentrum, in dem sich nicht nur der tägliche Bedarf besorgen, sondern auch im Bäckereicafè ein Schwätzchen halten lässt. Die anderen Teilnehmenden blieben mit „ihren“ studentischen Partner*innen im Gemeindesaal und beantworteten an hochkopierten Stadtplänen die Leitfragen. Neben zahlreichen Klebepunkten, die auf Treffpunkte, gute Orte und weitere relevante Plätze geklebt wurden, wurden auch zahlreiche Geschichten ausgetauscht und ein stetes Raunen und gelegentliches Lachen füllte den Raum.

Konradsiedlung – ein lebenswerter Ort für ältere Menschen

Nach einer guten Stunde konzentrierten Arbeitens trafen sich alle zum zweiten Kaffee und es gab einen Austausch in der großen Runde. Deutlich wurde, dass die Senior*innen fast ausschließlich gute Orte benannt haben und sich im Stadtteil heimisch fühlen. Die Einschnitte durch die Folgen der Corona-Pandemie seien aber ebenso spürbar wie die Veränderungen durch die Digitalisierung und die sich verändernde Struktur im Regensburger Norden durch Migration und einen derzeit stattfindenden Generationenwechsel. Wichtige Wünsche waren unter anderem eine weiterhin gute Anbindung des gesamten Stadtteils an die Innenstadt mit Bussen, der Ausbau an Angeboten für ältere Menschen in Präsenz, die seit Corona nicht mehr in vorheriger Form vorhanden seien, sowie die Sicherstellung einer wohnortnahen Versorgung mit dem täglichen Bedarf. Eine Vision war ein Seniorenheim im Stadtteil, damit ältere Bewohner*innen ihren Stadtteil nicht verlassen müssen, wenn sie auf Hilfe oder intensive Pflege angewiesen sind. Dennoch waren sich alle einig, dass der Regensburger Norden und die Konradsiedlung im speziellen lebenswert und ein guter Ort für ältere Menschen sei. Oder, wie eine Teilnehmerin in ihrem Fazit feststellte: „Wenn man das alles mal so erzählen kann, dann merkt man erst, wie gut man das eigentlich hat.“

Ergebnisse der Befragung für Seniorenamt

Auch die Studierenden wünschen sich eine Wiederholung und häufigere Praxisaufenthalte. „Machen wir das nächstes Semester wieder?“ war das einhellige Fazit.

Die Ergebnisse der Befragung werden dem Stadtseniorenamt für die weitere Arbeit zur Verfügung gestellt und fließen mit in die Ringvorlesung zu „Gelingendem Alter“ ein, die derzeit an der HSD Hochschule Döpfer monatlich stattfindet. Prof. Dr. Andreas Eylert-Schwarz wird am 04.10.2023 unter anderem diese Methode in seinem Vortrag mit einbinden, wenn er über senior*innengerechte Sozialräume spricht.

Infos über den Studiengang B.A. Soziale Arbeit an der HSD Hochschule Döpfer am Campus Regensburg: B.A. Soziale Arbeit - HSD Hochschule Döpfer

 

HSD-Studierende befragen Senior*innen

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