Junge Menschen wachsen heute in einer Welt auf, die ihnen viele Möglichkeiten eröffnet – und zugleich enorme Herausforderungen stellt: Kriege, Klimakrise, soziale Unsicherheiten und wachsender Druck in Schule und Medien sorgen oft für Verunsicherung. Welche Rolle die Offene Jugendarbeit bei der Identitätsfindung Jugendlicher spielen kann, diskutierte HSD-Professor Dr. Andreas Eylert-Schwarz mit österreichischen Jugendarbeiter*innen im Rahmen eines Fachtags in Vorarlberg.
Am 3. Juni 2025 fand in Feldkirch die Jahrestagung des koje (Koordinationsbüro für Offene Jugendarbeit und Entwicklung in Vorarlberg) statt. Rund 30 Jugendarbeiter*innen aus dem österreichischen Bundesland Vorarlberg kamen zusammen, um sich zum Thema „Aufbrüche, Umbrüche und gesellschaftlicher Wandel“ auszutauschen. Die Tagung findet jährlich statt, und etwa 50 % der regionalen Jugendarbeiterinnen nehmen regelmäßig daran teil, um gemeinsam an aktuellen Herausforderungen der Offenen Jugendarbeit zu arbeiten.
Den zweistündigen Workshop leitete Prof. Dr. Andreas Eylert-Schwarz, Studiendekan des BA Soziale Arbeit an der HSD Hochschule Döpfer. Seit 2021 ist er Professor für Soziale Arbeit und bringt umfangreiche praktische Erfahrungen aus der Offenen Jugendarbeit mit. Im Rahmen eines von der EU geförderten Projekts namens „Diskurs²“ arbeitete er 2023/2024 mit Partner*innen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol an der Internetplattform „Alles Wissen in der OJA“. Er war dabei mitverantwortlich für das Themenpaket „Europäische Identität von Jugendlichen“.
Inhaltlich griff der Workshop zentrale Fragen der Identitätsentwicklung auf. „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ – dieser Buchtitel von Richard David Precht beschreibt die Herausforderungen der heutigen Zeit treffend. Jugendliche stehen vor vielfältigen Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten: Bei der Berufswahl, in Partnerschaften, am Wohnort, in ihrer Liebesbeziehung oder der Alltagsgestaltung. Diese Optionen bringen Chancen, können aber auch verunsichern. Gerade in der Jugendphase, in der viele Weichen gestellt werden müssen, fragen sich junge Menschen häufig, wie ihr weiterer Weg aussehen soll und wie sie glücklich und zufrieden sein können. Dabei vergleichen sie ihre Lebensentwürfe oft mit denen anderer und fragen sich: „Ist es falsch, wie ich mich entscheide? Machen andere es besser? Wäre ich auf andere Weise glücklicher?“.
In dieser sensiblen Phase benötigen Jugendliche neben Gleichaltrigen auch erwachsene Ansprechpersonen, die sie gerade in der Pubertät nicht immer in Familie und Schule finden. Die Offene Jugendarbeit (OJA) – etwa in Jugendtreffs, Streetwork oder soziokulturellen Zentren – bietet dafür einen wichtigen Raum.
Im Workshop reflektierten die Teilnehmer*innen zunächst ihre eigene Identitätsentwicklung und erkannten, dass diese ein fortlaufender Prozess mit besonders sensiblen Phasen ist. Anders als im schulischen Kontext, wo Lernergebnisse überprüft werden, ist die Begleitung der Identitätsentwicklung stets eine Momentaufnahme.
Prof. Eylert-Schwarz stellte verschiedene Konzepte vor, insbesondere die subjektorientierte Jugendarbeit. Diese fördert Subjekt-Werdung, Selbstständigkeit, Selbstbewusstsein und Selbstachtung der Jugendlichen. Ein zentraler Punkt ist die Akzeptanz, dass „Sich-Ausprobieren“ und das Austesten von Grenzen zu dieser Entwicklungsphase dazugehören. Die OJA unterscheidet sich hierbei von der Schule, indem sie keine gemeinsamen Lernziele verfolgt, sondern individuell auf die Bedürfnisse der Jugendlichen eingeht.
Abschließend gab es praktische Tipps und ein gemeinsames Ausprobieren eines „wertschätzenden Interviews“ als niedrigschwellige Methode, die den Jugendarbeiter*innen neue Werkzeuge für ihre Arbeit mit auf den Weg gab.
Weitere Informationen über Publikationen und den Werdegang von Prof. Dr. Andreas Eylert-Schwarz finden Sie auf seiner Profilseite.