Mit Rock’n‘Roll und Gedankenausflügen gegen die Apathie

Keine Lust auf gar nichts? Professorin und ausgebildete Ergotherapeutin Dr. Yvonne Treusch widmete sich in ihrem Online-Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Gelingendes Altern“ dem Verhaltenssyndrom der Apathie bei Menschen mit Demenz.

Am Mittwoch, dem 8. November 2023, fand im Rahmen der Ringvorlesung "Gelingendes Altern" an der HSD Hochschule Döpfer ein äußerst fesselnder Online-Vortrag statt. Unter dem Titel "Keine Lust auf gar nichts? Ergotherapie bei Menschen mit Demenz" präsentierte Prof. Dr. Yvonne Treusch, Vize-Präsidentin für Lehre an der HSD, Ergebnisse aus aktuellen Studien und eigenen Forschungsarbeiten zur Apathie mit Fokus auf Demenzpatient*innen. Durch den Abend führte Prof. Dr. Andreas Eylert-Schwarz, Studiendekan für Soziale Arbeit an der HSD, der zunächst die HSD als Hochschule mit Fokus auf Studiengänge, „in deren Zentrum der Mensch mit all seinen Facetten steht“, und die Referentin vorstellte.

Der Vortrag begann mit einem berührenden Zitat von Arno Geiger, der seinen Vater betreut hat und dabei die Herausforderungen und Ängste beschrieb, die mit Demenz einhergehen können. Prof. Dr. Treusch führte ihre Zuhörer*innen in das Verständnis von Apathie als "andauernde Störung der Motivation auf den Ebenen Kognition, (motorisches) Verhalten und Emotion/Affekt" ein. Dieses Verhaltenssyndrom gilt als das häufigste neuropsychiatrische Symptom bei Demenz. Sie wies daraufhin, dass Frauen überproportional in jeglicher Hinsicht von Demenz betroffen seien – als Patientinnen und als pflegende Angehörige.

Prof. Dr. Treusch betonte die Bedeutung einer frühzeitigen Behandlung, sobald eine verminderte Motivation länger als vier Wochen im Vergleich zur Primärpersönlichkeit vorliegt. Der Stand der Forschung zeigt, dass die Suche nach medikamentösen Therapieansätze bei Demenz häufig von Enttäuschungen geprägt waren, während nichtmedikamentöse Verfahren wie Ergotherapie, körperliche Aktivierung und die Verbesserung der Versorgung durch die Vermeidung von Zwang und Psychopharmaka erfolgreich sein können. Ein besonders hoffnungsvolles Ergebnis präsentierte Yvonne Treusch aus der Studie von Maguire. In dieser wurden MRTs der Gehirne von Taxifahrern*innen in London mit einer Kontrollgruppe verglichen. Es stellte sich heraus, dass Teile des Hippocampus bei den Taxifahrern*innen signifikant größer waren. Dies deutet auf einen Einfluss der Umwelt auf unsere Gehirnstrukturen hin und unterstreicht die Bedeutung von täglichen Aktivierungen und Aktivitäten im Rahmen von Therapien. Treusch betonte mit Blick auf die Befunde aus weiteren, wissenschaftlichen Erhebungen, dass individualisierte, kombinierte Ansätze wie Erinnerungstherapie, Musik- oder Kunsttherapie und körperliche Aktivierung besonders erfolgversprechend sein können. Sollte also Rock'n'Roll auf freudige Gedankenausflüge treffen, so stehen die Chancen gut, dass sich die Apathie nicht verschlechtern könnte.

Des Weiteren stellte die Referentin ihre eigenen Forschungsarbeiten vor, die sie mit Kolleg*innen in Pflegeheimen durchgeführt hatte. Im Zentrum stand die Frage nach der Effektivität ergotherapeutischer Interventionen bei Apathie. Die Ergebnisse zeigten, dass bei einer individualisierten, wöchentlichen Einzelbehandlung von 15 Minuten unter Einbezug von Biografie, körperlicher Aktivierung und Emotion die Apathieschwere positiv beeinflusst werden kann. Musik, Fotoalben und Gegenstände mit Biografiebezug sowie sensorische Reize wurden als besonders hilfreiche Werkzeuge zur Verbesserung der Lebensqualität von Demenzpatient*innen identifiziert. Die Interventionen sollten jedoch „kontinuierlich im Alltag verankert werden, um nachhaltige Effekte zu erzielen“, so die Professorin für Ergotherapie. Abschließend resümierte der Vortrag die Bedeutung des Einbezugs der Angehörigen bei der Sammlung biografischer Informationen, den interdisziplinären Austausch und die Wichtigkeit einer guten Dokumentation in der Pflegeakte. Prof. Dr. Treusch unterstrich dabei nochmals die Notwendigkeit von mehr Forschung für nicht-pharmakologische Fragestellungen rund um die Apathie. Der Vortrag endete mit einem von vielen als passend empfundenen Zitat von Carl Gustav Jung: "Ohne Emotion kann man Dunkelheit nicht in Licht und Apathie nicht in Bewegung verwandeln.“

Die nächste Veranstaltung in der Ringvorlesung "Gelingendes Altern" findet am 6. Dezember 2023 um 18 Uhr statt und trägt den Titel „Altersdepression". Prof. Dr. Katrin Kliegl, Professorin für klinische Psychologie an der HSD, wird dabei den Fokus auf die Herausforderungen, aber auch zentralen Ressourcen älterer Menschen legen. Um eine Anmeldung unter Öffentliche Ringvorlesung „Gelingendes Altern“ (hs-doepfer.de) wird gebeten.