Akademisierung – der Rettungsanker für das deutsche Rettungswesen?

Thomas Hofmann, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Rettungswissenschaften und Leiter des neuen Bachelorstudiengangs Rettungswissenschaften an der HSD Hochschule Döpfer, schlägt Alarm: Immer mehr Rettungskräfte verlassen den Rettungsdienst. Gleichzeitig nimmt in einer immer älter werdenden Gesellschaft sowohl die Anzahl als auch die Komplexität von rettungsdienstlichen Einsätzen zu. Welchen Beitrag kann eine Teilakademisierung des Rettungsdienstes zur Lösung der akuten gesamtgesellschaftlichen Aufgabe leisten?

Der Rettungsdienst in Deutschland steht vor großen Herausforderungen: Qualitätsunterschiede in der Patientenversorgung, niedrigschwellige Einsätze und fehlende Weiterbildungsmöglichkeiten belasten das Berufsfeld der Retter*innen zunehmend. Dies führt nicht nur zu einem Bedeutungsverlust des Berufs, sondern auch zu einer bundesweiten Diskussion über die richtige Ausrichtung des Rettungsdienstes in der Zukunft.

Ein zentraler Kritikpunkt betrifft die Qualität der Einsätze: Retter*innen verlassen den Dienst, da sie vermehrt zu subakuten Einsätzen gerufen werden, die nicht in den originären Aufgabenbereich des Rettungsdienstes fallen. Dies stürzt den Beruf des Notfallsanitäters in eine Sinnkrise und ruft die Debatte hervor, wie solche Hilfeleistungsersuchen zukünftig besser beantwortet werden können. Speziell weitergebildete Retter*innen, Telemedizin und bessere Einbindung der Hausärzteschaft in die Notfallversorgung könnten Lösungsansätze sein. Parallel dazu nehmen aufgrund einer immer älter werdenden Gesellschaft die Anforderungen an Retterinnen und Retter zu: Liegen bei Patientinnen und Patienten gleichzeitig mehrere Krankheiten vor, erhöht sich die medizinische Komplexität des Einsatzes. Besser ausgebildete Rettungskräfte könnten deutlich zur Lösung der deutschen Rettungskrise beitragen und die Abwanderung von Retterinnen und Retter in andere Berufsfelder verhindern.

Thomas Hofmann betont die Bedeutung der akademischen Weiterentwicklung im Rettungsdienst: „Akademisierte Retterinnen und Retter können zur Entlastung der Notärzte beitragen, indem sie komplexe Einsatzsituationen eigenständig bewältigen und die evidenzbasierte Praxis sicherstellen. Dies ermöglicht es den Notärzten, sich verstärkt hochkritischen Notfällen wie Herz-Kreislauf-Stillständen zeitnah zu widmen.“

Der Bachelorstudiengang Rettungswissenschaften, der ab Wintersemester 2024/25 an der HSD Hochschule Döpfer startet, zielt darauf ab, Retter und Retterinnen auf die Herausforderungen im modernen Rettungsdienst vorzubereiten. „Eine Teilakademisierung schafft dringend benötigte Entwicklungsmöglichkeiten im Berufsbild der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter“, so Hofmann weiter. Zudem fordert er eine fundierte Forschung, um den tatsächlichen Bedarf an qualifiziertem Rettungspersonal zu ermitteln. „Es gibt keine ausreichenden Daten darüber, wie viele Retter und Retterinnen jährlich den Dienst verlassen. Die rettungswissenschaftliche Forschung ist unerlässlich, um die Reform des Rettungsdienstes zukunftsorientiert zu gestalten und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufzubauen“, erklärt der Hochschullehrer, der selbst aus dem Rettungsdienst kommt und auch dort noch nebenberuflich im Einsatz ist.

Weitere Informationen über den Studiengang Rettungswissenschaften an der HSD Hochschule Döpfer finden Sie hier.

Thomas Hofmann, Leiter des Bachelorstudiengangs Rettungswissenschaften an der HSD Hochschule Döpfer. Foto: HSD Hochschule Döpfer/Fraitag